- Warum beschäftige ich mich mit barfußlaufen?
- Der Wohlfühl-Faktor beim Barfußlaufen
- Ist barfußlaufen gesund?
- Beim Sport die Schuhe ausziehen
- Pro und contra Barfußschuhe
- Sollen Kinder barfuß laufen?
- Ist barfußlaufen ekelhaft?
- FAQ – Verschiedene Fragen
- Literaturverzeichnis
Ich habe verhältnismäßig breite Füße. Und es war schon immer schwierig für mich, passende Schuhe zu finden. Die meisten Schuhe sind entweder zu eng, drücken am Spann oder reiben an den Fersen. Erst vor wenigen Jahren habe ich sogenannte Barfußschuhe für mich entdeckt. Diese haben eine breitere Zehenbox, also mehr Platz für die Zehen und drücken nicht auf den Spann. Die Schuhe-Marke, die ich zuerst kennengelernt habe, kommt auch meiner Fußlänge entgegen, so dass die Fersen nicht mehr reiben. Also habe ich nach und nach auf Barfußschuhe umgestellt.
Endlich hatte ich Schuhe, die wirklich passen! In Barfußschuhen fühlt es sich komplett anders an, wenn Du gehst – irgendwie authentischer. Dennoch bin ich immer mehr dazu übergegangen, barfuß zu laufen. Warum habe ich letztlich auch auf Barfußschuhe verzichtet? Einen großen Anteil an meiner Entscheidung hat das Buch „Fünf Jahre barfuß“ von Wolfgang Hilden. Wenn ich im weiteren Text auf sein Buch verweise, kürze ich mit [Hilden] ab. Ganz unten im Literaturverzeichnis findest Du die ISBN. Wolfgang Hilden beschreibt in seinem Buch seine ersten fünf Barfuß-Jahre. Er läuft im Alltag überwiegend barfuß. Ich finde seinen Text sehr motivierend.
Bei einem Besuch in meiner Heimatstadt Karlsruhe fiel mir vor wenigen Jahren auf, dass es dort gar nicht so unüblich ist, barfuß zu laufen. An dem einen Herbstwochenende, das ich dort verbracht habe, habe ich mindestens drei Barfüßer in der Innenstadt gesehen. [Hilden] beschreibt Ähnliches von Freiburg. Ich bin zwar in Baden aufgewachsen und habe von früher in Erinnerung, dass barfuß nichts Besonderes ist. Aber richtig bewusst ist mir das erst geworden, als ich mich mit Barfußlaufen beschäftigt habe.
Ich habe in der Folge meine eigene Barfußzeit ausgedehnt. Außerdem habe ich angefangen, auch in Situationen barfuß zu laufen, in denen es nicht unbedingt üblich ist: beim Einkaufen, beim Arzt, aber auch auf der Arbeit. Die Arbeit war insofern eine besondere Situation, als ich ein Drittel des Tages dort verbringe. Und wenn ich mich jemals gefragt habe, was wohl die Leute denken, dann war das genau in diesem Umfeld. Aber tatsächlich waren die Kommentare ausschließlich positiv und freundlich. Ob hinter meinem Rücken gekichert und getratscht wurde, weiß ich nicht. Mitbekommen habe ich jedenfalls nichts.
Ich bin momentan in der guten Situation, dass ich seit 2022 fast komplett auf Schuhe verzichten kann.
Warum schränke ich den letzten Satz mit „fast“ ein? Für mich ist Barfußlaufen weder Religion noch Dogma. Es gibt Situationen, in denen Schuhe ein „Muss“ sind. Beispielsweise habe ich immer ein Paar Schuhe im Fußraum meines Autos. Und wenn ich in einen Unfall verwickelt werde, kann ich aussteigen, ohne Angst haben zu müssen, in eine Scherbe zu treten. Dann gibt es Situationen, in denen ich Schuhe als angemessen betrachte – und das ist eine sehr subjektive Sache. Zum Beispiel wäre es für mich ein No-Go, barfuß in die Kirche zu gehen. Anderes Beispiel: In der OGS meines Sohnes hat man mich gebeten, die Schuhe anzuziehen, wenn ich meinen Sohn abhole – es sei den Kindern nicht zu vermitteln, warum sie Schuhe tragen müssen, aber der Papa barfuß laufen darf. Hier wäre es meines Erachtens unangemessen, zu diskutieren. Ich weiß, dass andere Barfüßer das anders sehen.
Ich möchte Dir zwei Situation schildern, die Du vielleicht sogar selbst auch so erlebt hast.
- Stell Dir vor, dass Du Urlaub am Meer machst. Das Meer rauscht, ein langer Sandstrand liegt vor Dir, der Wind riecht nach Salz. Was wirst Du tun? Ich jedenfalls habe am Meer kaum ein größeres Bedürfnis, als die Schuhe auszuziehen und das Gefühl zu genießen, wie die Zehen in den Sand sinken.
- Ich komme nach einer langen, anstrengenden Wanderung an einen kühlen Bach oder ein Kneipp-Becken. Ich ziehe schnell meine Schuhe aus und tauche meine Füße in das kalte Wasser. Kannst Du nachvollziehen, wie angenehm sich das anfühlt? Wie erfrischend das ist?
Wenn Du eine oder sogar beide Situationen nachempfinden kannst, hast Du eine Ahnung davon, was der Wohlfühl-Faktor eines Dauer-Barfüßers ist. Denn genau so fühlen sich unsere Füße, wenn wir morgens aus dem Bett steigen und die Freiheit haben, gar nicht erst Schuhe anziehen zu müssen.
Wo kommt der Wohlfühl-Faktor her? Am Fuß befinden sich nach [Bleuel] 60.000 Rezeptoren. Das heißt, dass der Fuß in der Lage ist, sehr viele Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten. Wenn diese Reize unterdrückt werden, verkümmern die Nerven. Die Nerven wollen mit Reizen und Informationen versorgt werden, und dann fühlen sie sich wohl. Daher ist Barfußlaufen angenehm, ent-stresst und fördert eine aufrechte Haltung.
Ich vermute, dass die meisten Menschen barfußlaufen mögen und gern öfter die Schuhe weglassen würden. Die Vermutung begründe ich damit, dass fast alle Menschen, mit denen ich ins Gespräch komme, sehr gut über Barfußlaufen informiert sind. Die meisten berichten, dass sie auch möglichst viel barfuß laufen: in der Wohnung, im Garten usw. Darüber hinaus findest Du in fast jeder Stadt mindestens einen Barfußschuhladen. In Köln liegen mehrere Barfußschuhläden unterschiedlicher Marken nahe beieinander. Die vielen Läden könnten nicht überleben, wenn die Nachfrage nicht da wäre. Ich bin überzeugt davon, dass Barfußlaufen mehr als ein Trend ist.
Immer wieder kannst Du im Internet lesen, dass Barfußlaufen gesund ist. Doch was ist die Magie dabei? Warum ist Barfußlaufen gesund?
In den folgenden Absätzen werde ich die wichtigsten Vorteile für Deine Gesundheit ansprechen und erläutern. Aber vorher möchte ich ganz schlagwortartig ein paar Vorteile benennen:
- Jeder Schritt, den Du barfuß gehst, ist eine Fußreflexzonenmassage.
- Dein Immunsystem wird gestärkt.
- Fußschweiß verdunstet oder wird an den Untergrund abgegeben. Daher können sich an den Füßen keine Bakterien bilden. In der Folge stinken Füße von Barfußläufern nicht.
- Der Fuß besteht zum grö0ten Teil aus Muskeln. Wenn Muskeln gefordert werden, entwickeln sie sich („Use it or loose it!“). Sie übernehmen nach entsprechendem Training wieder ihre eigentliche Funktion – nämlich den Fuß zu stabilisieren. Für Menschen mit eingebrochenem Fußgewölbe kann Barfußlaufen oft eine gute Alternative zu Einlagen sein.
- Da Muskeln mit Sauerstoff versorgt werden müssen, werden Deine Füße besser durchblutet, Du wirst selten kalte Füße haben.
- Die Sensorik in Deinem Fuß verbessert sich.
- Verbesserte Sensorik und trainierte Fußmuskulatur führen zu einem besseren Gleichgewicht. Außerdem ist es deswegen für einen Barfußläufer nahzu unmöglich, mit dem Fuß umzuknicken.
- Die Haut an Deinen Füßen wird widerstandsfähiger. Du wirst seltener Fußpilz bekommen.
In der schlagwortartigen Betrachtung der gesundheitlichen Vorteile habe ich ein paar Punkte gar nicht erwähnt: Deine Körperhaltung verbessert sich, und möglicherweise verschwinden Rückenschmerzen. Vermutlich vermindert Barfußlaufen das Risiko, dass Deine Knie- und Hüftgelenke vorzeitig verschleißen. Um diese Punkte begründen zu können, muss ich vorher die „Drei-Punkte-Stellung“ erläuern – und das mache ich in der folgenden Box „Meine Sicht als Yoga-Lehrer“.
In jeder Yoga-Stunde leite ich einmal die Berg-Haltung („Tadasana“) an. Die Berghaltung beginnt mit den Füßen. Ich lasse die Teilnehmenden zuerst den Boden erspüren und bitte sie, das Körpergewicht so zu verlagern, dass Großzehballen, Kleinzehballen und Ferse gleichermaßen belastet sind: die sogenannte „Drei-Punkte-Stellung“ . Dann nehmen sie über die Knie, das Becken und die Wirbelsäule eine aufrechte, gelenkschonende und stabile Haltung ein.
Die Füße, bzw. die Drei-Punkte-Stellung, stehen am Anfang, denn sie sind das Fundament. Was bedeutet das? Wenn ich mein Körpergewicht zu sehr auf die Innenseite meiner Füße verlagere, ist die Beinachse nicht gerade – ich tendiere zu X-Beinen. Wenn ich die Außenkante meiner Füße stärker belaste, tendiere ich zu O-Beinen. Beide Fehlhaltungen belasten und verschleißen Knie- und Hüftgelenke. Das kann zu Verspannungen im unteren Rücken führen, die bis zu den Schultern ausstrahlen.
Kurz gesagt: es gilt, die Füße als stabiles Fundament aufzubauen und zu trainieren. Das erfordert regelmäßiges Barfußtraining, um die Muskulatur aufzubauen. Außerdem müssen Nerven und Rezeptoren trainiert werden, um in der Lage zu sein, Informationen verarbeiten zu können. Beides erreichst Du, indem Du möglichst viel barfuß läufst. Und mit „barfuß“ meine ich wirklich barfuß. Denn es ist wichtig, mit den Füßen den Boden spüren zu können. Und auch wenn die Schuhindustrie etwas anderes behauptet, kann ich in keinem Schuh – auch in keinem Barfußschuh – den Boden so unmittelbar spüren wie mit nackten Füßen. Es ist schlicht und ergreifend unmöglich, in Schuhen zu spüren, ob ich mein Körpergewicht gleichmäßig verteile.
Viele Sportarten werden klassischerweise barfuß praktiziert, zum Beispiel Yoga und Pilates. Auch in meinen Rücken- und Hula-Hoop-Kursen ziehen die Teilnehmenden gern ihre Schuhe aus. Aber was ist mit Kraftsport und Joggen?
Ich habe meine B-Lizenz in einem Fitness-Studio gemacht. Dabei habe ich gelernt, dass viele Übungen im Stehen ausgeführt werden: am Kabelzug, am Schlingentrainer, im Freihantelbereich, im Functional-Bereich, usw. Bei diesen Übungen ist es wichtig, dass der Fuß gleichmäßig belastet ist – die besagte Drei-Punkte-Stellung. Ein Lehrbeispiel war die Kniebeuge, wobei es egal ist, ob Du sie mit oder ohne Gewicht übst. Viele Sportler belasten beim Hochdrücken die Ferse besonders. Das kannst Du beobachten, denn die Zehen gehen dabei oft etwas in die Höhe. Bei richtiger Belastung der Füße könnte die Kniebeuge oft noch effektiver und vor allem gelenkschonender trainiert werden. Aber selbst in Barfußschuhen ist es unmöglich, die gleichmäßige Belastung der Füße („Drei-Punkte-Stellung“) zu erspüren. Von daher halte ich es für ein Qualitätsmerkmal eines Fitness-Studios, dass Barfußtraining explizit erlaubt ist.
Viele Fitness-Studios tun sich schwer damit, Barfußtraining zu erlauben. Allerdings sind die Argumente oft nicht nachvollziehbar. Ein Studio hat mir erklärt, dass ich Schuhe tragen solle, falls mir eine Hantel auf den Fuß fällt. So richtig zu Ende gedacht fand ich das nicht. Denn wenn mir 20 Kilo Hantel auf den Fuß fallen, ist es vollkommen egal, ob ein Turnschuh an dem Fuß ist oder nicht. In meinem Ausbildungsstudio war Barfußtraining aus „hygienischen Gründen“ nicht erlaubt. Allerdings wurde nie ein Kunde angesprochen, wenn er in Straßenschuhen an die Geräte ging. Zum Thema „Hygiene“ gibt es einen eigenen Abschnitt.
Meine Empfehlung: wenn Du Dich für gesundheitorientiertes Krafttraining interessierst, dann such Dir ein Studio, in dem Du barfuß trainieren darfst. Wir haben in der Region von Bad Honnef bis nach Neuwied mehrere Studios, in denen Barfußtraining mit Genehmigung der Studioleitung ausdrücklich erlaubt ist. Und wenn in Deiner Region barfuß in Studio A nicht erlaubt ist, dann frag bei Studio B – und spätestens Studio C wird Dich willkommen heißen. Ich trainiere im Twin-Fit in Bad Honnef und bin dort sehr zufrieden.
Überregional lohnt sich ein Blick auf die EVO-Kette; es gibt auch bei uns in Deutschland Filialen. Soweit ich informiert bin, ist es das Konzept dieser Kette, dass Barfußtraining ausdrücklich erlaubt ist (Irrtum vorbehalten).
Eine ganz andere Hausnummer ist joggen. Denn wenn Du barfuß joggst, werden Deine Füße ganz extrem belastet.
Der erste Schritt zum Barfußlauf ist die geänderte Gangart. Was ist damit gemeint? [Lieberman] hat herausgefunden, dass Schuhträger anders laufen als Barfüßer. Schuhträger kommen mit der Ferse auf und rollen über den Fuß ab („Fersenlauf“).
Barfüßer treten eher mit dem flachen Fuß auf („Mittelfußgang“).
Einen ersten Eindruck über die verschiedenen Gangarten bekommst Du im Video von Georg.
Joggen ist nicht meine bevorzugte Sportart. Dennoch laufe ich die sechs Kilometer des Bonner Firmenlaufes barfuß und erziele dabei deutlich bessere Ergebnisse als früher mit Schuhen.
Ich habe für mich entschieden, dass ich keine konventionellen Schuhe mehr tragen möchte. Wenn ich Schuhe anziehen muss, dann müssen es Barfußschuhe sein. Aber was sind Barfußschuhe überhaupt? Was spricht für und was gegen sie?
Der Begriff „Barfußschuh“ ist ein reiner Marketing-Begriff. Es handelt sich hier um Schuhe, die sich von herkömmlichen Schuhen unterscheiden und vorgeben, ein barfußähnliches (Geh-) Gefühl zu vermitteln. Tatsächlich ist der Begriff „Barfußschuh“ aber ein Widerspruch in sich – denn entweder ich laufe barfuß oder in Schuhen. Mich erinnert dieser Begriff an das Märchen der „Klugen Bauerstochter“. Das Mädchen bekommt vom König den Auftrag, „nicht nackend, aber auch nicht angezogen“ bei ihm vorzusprechen.
Oft werden Barfußschuhe auch „minimalistische Schuhe“ oder „Minimalschuhe“ genannt. Diese Bezeichnungen sind nach meiner Beobachtung aber nicht geläufig.
Es spricht viel für Barfußschuhe. Hier sind ein paar gute Gründe:
- Dass herkönnliche Schuhe oft zu eng sind, habe ich weiter oben schon beschrieben. Minimalschuhe haben im Normalfall eine breitere Zehenbox, geben den Zehen also mehr Raum. Der Schuh trägt sich wesentlich angenehmer. Außerdem kann eine Deformation der Füße vermieden werden.
- Minimalschuhe haben eine Null-Sprengung. Das heißt, dass die Ballen und die Ferse auf gleicher Ebene sind. Weder Damen- noch Herrenmodelle haben Absätze. Das unterstützt eine gesunde Haltung und einen gesunden Gang. Die gesamte Muskulatur, die am Gehen beteiligt ist, wird entlastet. Schmerzen können dadurch gelindert werden.
- Die Sohle ist in der Regel dünn und beweglich. Dadurch wird der Fuß in seinem natürlichen Gang unterstützt. Außerdem lernt der Fuß wieder, zu spüren, wie er steht und geht (Propriozeption). Und schließlich wird der Fuß gefordert, Muskulatur aufzubauen.
Wenn ich vollständig auf Schuhe verzichte, nehme ich die Vorteile von Barfußschuhen mit. Ich vermeide aber mögliche Nachteile:
- Zwischen Fuß und Boden sind immer noch einige Millimeter Sohle. Diese verhindert, dass ich Kontakt mit dem Boden bekomme. Ich spüre keinen Untergrund und trainiere meine Sensoren nicht. Dadurch verbessere ich mein Gleichgewicht nicht, die aufrechte Haltung wird nicht gefördert.
- Die Füße sind der Witterung nicht ausgesetzt. Sie bleiben empfindlich. Mein Immunsystem verbessert sich nicht. Die Füße bleiben anfällig für Fußpilz.
- Der für mich wichtigste Punkt ist, dass die Sohle von Barfußschuhen es nicht erlaubt, den Boden zu erspüren. Es ist daher unmöglich, zu spüren, ob ich meinen Fuß gleichmäßig belaste („Drei-Punkte-Stellung“).
- Im Zusammenhang mit dem Sport habe ich den Mittelfußlauf beschrieben. Studien deuten darauf hin, dass Läufer, die barfuß Mittelfußlauf laufen, in den Fersenlauf wechseln, wenn sie (Barfuß-) Schuhe tragen.
98 % aller Kinder kommen mit gesunden Füßen zur Welt. Knapp zwei Drittel aller Erwachsenen haben Probleme mit ihren Füßen: Hallux valgus, Knick-, Senke-, Spreizfuß etc. Nach [Kuhn et al] können viele Beschwerden durch ungeeignete Schuhe und schwache Muskulatur begünstigt werden. Doch wie schaffen es Eltern, die gesunden Kinderfüße zu erhalten? Bzw. was könnte auch nachteilig sein?
Ein prägendes Erlebnis war der erste Schuhkauf mit meiner Tochter. Als sie laufen lernte, wollte ich ihr in einem etablierten Fachgeschäft für Kinderschuhe Schuhe kaufen. Die Verkäuferin hat mir ein Paar hingestellt und mich gebeten, diese Schuhe mit meiner Tochter zu probieren. Der erste Test beim Schuhkauf ist, dass ich die Innensohle aus dem Schuh herausnehme und den Fuß draufstelle. Wenn der Fuß in Länge und Breite gut Platz hat, kommt die Innensohle wieder in den Schuh rein, und mein Kind probiert den Schuh an. Dabei fiel mir auf, dass in der Sohle eine Pronationsstütze eingearbeitet war. Ich habe die Verkäuferin angesprochen, ob das beabsichtigt war, und welchen Zweck diese Pronationsstütze hat. Sie hat mir erklärt, dass dieses Modell „gern gekauft“ wird. Und die Pronationsstütze würde dem Kinderfuß helfen, in die richtige Position zu finden.
Warum hat mich diese Beratung fassungslos gemacht? Der unbedachte Einsatz von Pronationsstützen in Laufschuhen hat seit den Sechziger Jahren vielen Läufern Knie- und Hüftgelenke kaputt gemacht. Und ich habe weiter oben thematisiert, dass vermutlich die meisten Einlegesohlen entbehrlich wären, wenn die Betroffenen die Fußmuskulatur gezielt stärken würden. Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum gesunde Kinderfüße mit Pronationsstützen versorgt werden sollen.
Helfen Pronationsstützen wirklich, den Kinderfuß in die richtige Aufrichtung zu bringen? Ich denke nein. Meine Einschätzung stütze ich unter anderem auf eine aktuelle Studie von Prof. Astrid Zech (im Literaturverzeichnis: [Zech]). [Zech] vergleicht in ihrer Studie 800 südafrikanische Kinder, die barfuß aufwachsen, mit Kindern in Deutschland. Im Ergebnis ist deutlich zu sehen, dass die Motorik von Kinder, die barfuß aufwachsen, deutlich besser entwickelt ist. Sie können besser springen, laufen und haben ein besseres Gleichgewicht als die beschuhte Vergleichsgruppe.
Was bedeutet das nun für die Pronationsstützen? Wenn Kinderfüße keine Chance haben, Muskeln zu entwickeln und die Rezeptoren zu aktivieren, werden die Kinder möglicherweise niemals lernen, ohne Pronationsstützen zu laufen. Kinderfüße brauchen keine Führung! Sie können sich prima selbst entwickeln, wenn sie die Chance dazu bekommen. Und diese Chance kann so aussehen, dass Kinder barfuß laufen dürfen. Gute Anregungen findest Du bei [Kerscher].
Die Pronationsstütze im Geschäft war jedenfalls kein Einzelfall. [Kuhn et al] thematisieren falsche Beratung. Auch [Hilden] schreibt, dass schon Kindern Einlagen verschrieben werden. Insgesamt denke ich, dass Eltern gefordert sind, sehr genau hinzusehen, um nicht das Gegenteil dessen zu erreichen, was erreicht werden soll.
Wenn jemand „Das ist doch ekelhaft!“ sagt, können zwei Sichtweisen damit gemeint sein.
Sichtweise 1: Findest Du das nicht ekelhaft?
Diese Frage führt die Top10 der FAQ an einen Barfüßer an. In der Vorstellung vieler Menschen scheint die Straße der Ort der größten anzunehmenden Verunreinigung zu sein: Hinterlassenschaften von Katzen und Hunden, Urin, Erbrochenes, Glasscherben, Dreck jeglicher Art. Der Phantasie ist hier keine Grenze gesetzt. Ist das denn wirklich so?
Nach meiner Beobachtung passt diese Erwartung nicht ganz zur Realität. Ich bin in meinem ganzen Leben höchstens zweimal in einen Hundehaufen getreten. Das letzte Mal war Anfang der Neunziger Jahre. In eine Glasscherbe bin ich in meinem ganzen Leben noch nie getreten – weder mit Schuhen noch barfuß. Wenn Du einmal bewusst darauf achtest, wirst Du vermutlich wenig bis keine „Hinterlassenschaften“ oder Glasscherben finden. Und das ist eines der Themen der Barfüßer: wenn wir gehen, achten wir darauf, wo wir hintreten. Alles, was gefährlich oder unhygienisch sein könnte, sieht man auch.
Das meiste jedenfalls! Einen spitzen Gegenstand wie eine Reißzwecke kann man tatsächlich leicht übersehen. Aber da haben Dauer- und Alltags-Barfüßer einen Vorteil. Zunächst sind wir empfindlicher, weil unsere Sensoren ständig trainiert werden. Das heißt, dass wir sehr schnell merken, wenn wir auf etwas treten, was da nicht sein soll. Im Idealfall spüren wir es, bevor der Gegenstand gefährlich wird. Dann kommt dazu, dass nackte Füße mit jedem Schritt eine Vorspannung aufbauen. Das bedeutet, dass wir schneller als Schuhträger die Füße wieder wegziehen können. Ich spreche hier aus Erfahrung, weil ein Raum, in dem ich Kurse durchführe, auch für andere Veranstaltungen genutzt wird, und dort tatsächlich immer mal Reißzwecken liegen. Natürlich sind weder Schuhträger noch Barfüßer davor gefeit, im Schwimmbad auf eine Biene oder Wespe zu treten. Aber das gehört für mich in die Kategorie „Allgemeines Lebensrisiko“.
Aber ja – es gibt tatsächlich immer wieder Situationen, in denen wir Barfüßer gefordert sind. Beispielsweise hatte ich einmal eine Schulung in Hannover. Mein Hotel lag auf der einen Seite der Bahnschienen, der Bahnhof auf der anderen Seite. Ich musste durch eine Unterführung, die fürchterlich nach Urin gestunken hat. Der Bürgersteig war voll mit Tauben-Kot. Aber in dieser Situation hätte ich mich selbst mit Schuhen geekelt. Und da muss dann halt eine Lösung gefunden werden. Ähnlich herausfordernd sind übrigens die meisten öffentlichen Toiletten.
[Hilden] geht ausführlich darauf ein, dass die Haut eine Barriere gegen Krankheitserreger bildet. Das entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung! Denn wir gehen ständig mit Bargeld um, das durch zahllose Hände geht, in den Dreck fällt, auf dem Boden liegt oder sonstwie verschmutzt ist. Dennoch werden wir nicht krank davon. Es steht also zu vermuten, dass die gesunde Haut an den Fußsohlen Krankheitserreger genauso zuverlässig abwehrt.Sichtweise 2: Ich finde das ekelhaft
Die meisten Menschen, mit denen ich spreche, finden barfußlaufen toll. Viele sagen sogar, sie würden das auch gern machen. Dann gibt es aber auch vereinzelt Menschen, die barfuß unangemessen, unhygienisch oder sogar ekelhaft finden.
Ein Beispiel: im November 2024 habe ich dem Generalanzeiger Bonn ein Interview über das Thema Barfußlaufen gegeben. Der GA hat den Teaser des Artikels auf Facebook veröffentlicht. Die meisten Kommentare waren recht amüsant zu lesen. Einen Kommentar fand ich jedoch bemerkenswert:
Ein anderes Beispiel: in einem Museum in Rolandseck ist mich eine Aufseherin ziemlich rabiat angegangen, dass das mit dem Barfußlaufen unhygienisch sei. Ich habe sie gebeten, das genauer zu erklären. Sie hat mir geantwortet, dass Kinder am Boden spielen. Ich habe zwar keine spielenden Kinder gesehen, aber das muss nichts heißen. Die Frau ist öfter im Museum als ich. Also weiß sie im Zweifel mehr als ich. In der Zwischenzeit sind zahllose andere Besucher in Straßenschuhen an uns vorbeigegangen. Ich habe die Aufseherin gefragt, ob sie das nicht unhygienisch findet – immerhin werden hier Straßendreck und Regen auf den Boden zu den spielenden Kindern gebracht. Mit einem herzhaften „Na, ist halt so!“ ist sie gegangen.
Und ein letztes Beispiel: Im Galileo-Selbstversuch siehst Du, dass „barfuß“ im gezeigten Restaurant nicht gut ankommt. Dazu möchte ich anmerken, dass nach meiner Erfahrung die höherpreisigen Restaurants weniger Probleme mit barfüßigen Gästen haben. Es sind eher die Touristenlokale, die damit nicht klarkommen.
Wie sehe ich diese Reaktionen?
Niemand käme auf die Idee, die Ekelhaft-Karte auszuspielen, wenn ich mit Flip-Flops herumlaufen würde. Aber sobald meine Fußsohlen den Boden berühren, ist das auf einmal unhygienisch. Ich verstehe diese Logik nicht.
Füße von Dauer-Barfüßern schwitzen weniger. Und wenn Füße die ganze Zeit über Asphalt gezogen werden, können sich an den Sohlen keine Bakterien ansiedeln. Folglich stinken diese Füße nicht.
Dauer-Barfüßer sind in der Regel sehr darauf bedacht, keinen Dreck mit in die Wohnung zu nehmen. Das heißt, wir waschen unsere Füße wirklich oft. Außerdem reinigen die meisten von uns die ganze Fußsohle mit einem Bimsstein, um auch den ganz feinen Dreck zu entfernen. Also sind die Füße von Barfüßern tendenziell sauberer.
Füße von Barfüßern sind trockener und widerstandsfähiger. Das heißt, dass sie weniger anfällig sind für Fußpilz. Und da wir immer damit rechnen, dass unsere Mitmenschen auf unsere Füße schauen, achten wir mehr als viele Schuhträger auf ein gepflegtes Erscheinungsbild.
Es ist mir echt schleierhaft, was eklig daran sein soll, wenn Menschen barfuß laufen.
Was ich als ekelhaft erlebe:
- Ein Bekannter niest in die Hände, wischt sie an der Hose ab und reicht mir dann die rechte Hand zum Gruß.
- Andere Badegäste schneiden oder knipsen sich die Zehennägel in der Sammelumkleide und lassen die abgeschnittenen Teile am Boden liegen.
- Die Bedienung in meiner Lieblings-Eisdiele nimmt in Dauerschleife Eiswaffeln in die Hand und kassiert im gleichen Takt Bargeld.
- Kunden im Supermarkt nehmen jede Tomate einzeln in die Hand, drücken daran herum und legen sie dann wieder zurück.
Fazit: Ich werde nie verstehen, was manche Menschen an Barfüßern unangemessen oder ekelhaft finden. Vielleicht muss ich einfach akzeptieren, dass jeder Mensch seine eigenen Trigger hat. Und vielleicht haben die eingangs erwähnten Reaktionen etwas damit zu tun, dass Barfußlaufen einfach kein Standard ist, so dass einige Menschen „ungewohnt“ mit „ekelhaft“ verwechseln.
In diesem Abschnitt greife ich Fragen auf, die Dauer-Barfüßern oft gestellt werden.
Die sogenannte K-Frage – jeder Barfußläufer bekommt sie gestellt, wenn die Temperatur unter 15 Grad Celsius sinkt.
Füße bestehen zum größten Teil aus Muskeln. Und da Muskeln ständig durchblutet werden, haben Dauer-Barfüßer selten kalte Füße. Außerdem wird die Fußsohle unempfindlicher. Daher sind Temperatur bis kurz vorm Gefrierpunkt kein Problem. Wichtig ist allerdings, dass der Körperkern warm bleibt. Erst wenn Schnee fällt oder der Boden gefroren ist, ist es zu kalt, um barfuß zu laufen – aber das ist eine subjektive Einschätzung.
Hier findest Du die referenzierte Literatur:
- [Bleuel] : Sabine Bleuel in NDR Visite, abgerufen am 16. Nov. 2024
- [Hilden] : Wolfgang Hilden, „Fünf Jahre barfuß“, 2018, Books on Demand, ISBN 9783746074238
- [Kerscher] : Lorenz Kerscher, „Barfuß werden wir beweglich“, 2013, fidibus Verlag, ISBN 9783943411232
- [Kuhn et al] :Kuhn, H., Gerdes-Kuhn, R. & Küster, HH. Das Cinderella-Schuh-Syndrom. Fuss 5, 26–31 (2007). https://doi.org/10.1007/s10302-007-0270-4
- [Lieberman] : Lieberman DE, Venkadesan M, Werbel WA, Daoud AI, D’Andrea S, Davis IS, Mang’eni RO, Pitsiladis Y. Foot strike patterns and collision forces in habitually barefoot versus shod runners. Nature. 2010 Jan 28;463(7280):531-5. doi: 10.1038/nature08723. PMID: 20111000.
- [Mathias] : Mathias, D. (2022). Die Biomechanik des Laufens. In: Fit und gesund von 1 bis Hundert mit Ernährung und Bewegung. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-64209-2_81
- [Sehel] : Solarberg Séhel, „Mittelfußlauf“, 2017, Copress, ISBN 9783767911147
- [Zech] : auf YouTube (abgerufen am 31. Oktober 2024) und
Zech, A. Beinflussbarkeit des Gang- und Laufverhaltens durch Schuhbedingungen. Orthopädie 52, 626–630 (2023). https://doi.org/10.1007/s00132-023-04407-0
Diese Seite liefert Dir allgemeine Information zum Thema Barfußlaufen. Vieles von dem, was ich hier geschrieben habe, kann auf Deine individuelle Situation zutreffen – möglicherweise aber auch nicht. Wenn Du motiviert bist, Deine Schuhe an den Nagel zu hängen, lass Dich bitte vorher von einem Mediziner beraten.